Die Geschichte der Murgesen
Die Rasse der Murgesen kann auf eine stolze Geschichte zurückblicken: Als Nachfahre der einst begehrten und inzwischen ausgestorbenen Neapolitaner, wurde der Urtyp der Rasse bereits im 13. Jahrhundert als Streitross unter dem römischen Kaiser Friedrich II. eingesetzt. Das kommt nicht von ungefähr, denn Murgesen bzw. Neapolitaner zu der Zeit, zeichnen sich durch ihre Stärke, Widerstandsfähigkeit und Trittsicherheit aus.
Diese Eigenschaften haben sie ihrer Heimat, der steinigen Landschaft Apuliens, zu verdanken. Das ist nebenbei nicht nur der Grund für ihre Physis, sondern auch für ihren Namen: Die „Murge“ ist der südöstliche Teil der Murgia. Hier gibt es kalte Winter und steinige Landschaften. Wer sich dort behaupten will, muss also schon einiges auf dem Kasten haben

Foto: "Cheval napolitain" Baron d'Eisenberg (1759)

Foto: "Belfiore" (1948). Privatarchiv Famiglia Pastore Martina Franca (Dbmurgese.it)

Foto: "Granduca di Martina" (1919). Privatarchiv Famiglia Pastore Martina Franca (Dbmurgese.it)
Das war natürlich auch unserem guten Friedrich klar. Und weil leistungsstarke Pferde ganz in seinem Sinne waren, hat er auch gleich drei Gestüte in der Murgia erbaut und unterhalten. Das Ziel war aber nicht nur – wie man vielleicht denken würde – eine neue Rasse Schlachtrösser zu züchten mit guten Hufen & starken Gelenken. Stattdessen wollte Friedrich seinen Lieblingssport, die Falkenjagd, perfektionieren.
Friedrichs Zuchtmethoden und Zuchtauswahl sind in dem Werk „De medicina equorum“ von Giordano Ruffo von Kalabrien tradiert worden. Er war einer der ersten italienischen Veterinärwissenschaftler und kaiserlicher Untergebener.
Vom 15. bis ins 16. Jahrhundert wurde die Murgia die Heimat des wichtigsten Gestüts der Republik Venedig, „La Cavallerizza“, welches heute noch existiert. Die Serenissima schätze die Region als geeignetes Pferdezuchtgebiet und deren Produkte als außergewöhnlich für jeglichen Einsatz: militärischer, ziviler wie sportlicher Art. Im selben Jahrhundert stach besonders die „Conversano“ Linie hervor, ein Hengst der einer der 6 Blutlinien der Lipizzaner prägte, und aus dem Gestüt des Fürsten von Acquaviva D’Aragona, Andrea Matteo und seinem direkten Nachfahren Giulio Antonio stammte. Mehr zu den Lipizzanern kannst du bald hier erfahren.
Vom Streitrosszum Fleischpferd
Die eher lokal bekannten Murgesen, denen bisher die weltweite Bekanntheit wie bei den Neapolitanern versagt blieb, wurden in den folgenden Jahrhunderten weiter gezüchtet. Doch dann verloren die Adligen das Interesse an der Rasse und gaben die Zucht Ende des 19. Jahrhunderts an die apulischen Landwirte ab.
In der Folge ging es mit der Rasse steil bergab, da eine kontrollierte Zucht nicht mehr stattfand. Weil ein besonders hungriger Bauer wohl mal ein Stück Murgese probiert und als ausgesprochen lecker empfunden hatte, ging es sogar so weit, dass nicht wenige Murgesen auf den Tellern von Bauernfamilien landeten. Doch trotz dieser unwürdigen Degradierung behielt die Rasse ihre hervorragenden Rittigkeitsmerkmale und ursprünglichen Eigenschaften.

Foto: "Nobilissimo Coursier Nappolitain" Abraham van Diepenbeeck (1650)
Schutz und Förderung der Rasse

Foto: "Nerone" (1924). Privatarchiv Famiglia Pastore (Dbmurgese.it)

Foto: "Araldo" (1977). Elenco generale delle stazioni di monta Istituto Incremento Ippico di Foggia (Dbmurgese.it)
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galten die beiden Schläge der Rasse – ein leichter Saumtiertyp und der schwere Arbeitstyp – als so gut wie ausgestorben, da die Landwirte die Zucht etwas schleifen ließen. Es ist wohl nur dem zähen Wesen der Tiere zu verdanken, dass sie sich trotz der langen Vernachlässigung noch gehalten haben.
Als das italienische Landwirtschaftsministerium auf die malade Situation aufmerksam wurde, beschloss es, die Zucht zu koordinieren und die Rasse wiederzubeleben. Das war ein erster Schritt, aber noch nicht genug. 1926 startete das Landwirtschaftsministerium in Zusammenarbeit mit dem damaligen Regio Deposito Stalloni in Foggia, jetzt das Istituto Regionale Incremento Ippico, und die Landwirtschaftsabteilung von Bari, jetzt die Assessorato Regionale Agricoltura, die Zuchtauswahl der Murgesen in Apulien. Den Bemühungen um den Erhalt der Rasse kam dann allerdings der Zweite Weltkrieg dazwischen
Erst nach dem Krieg konzentrierte man sich dann erneut auf die eigentliche Mission und gründete die auch heute noch bedeutenden Hengststämme Araldo, Granduca und Nerone. Auch der Zuchtverband für Murgese und Esel gründete sich 1948 und unterstützte beim Wiederaufbau der Rasse.
Im Dezember 1956 wurde vom Zuchtverband die erste Pferdemesse des murgesischen Pferdes und des Esels von Martina Franca organisiert. Seitdem wird die Messe immer am ersten Dezemberwochenende in Martina Franca abgehalten. 1990 wurde die A.N.A.M.F. (Associazione nazionale degli Allevatori del cavallo Murgese e dell’Asino di Martina Franca) gegründet, die ihre Hauptgeschäftsstelle in Martina Franca hat.
Mauro Aurigi Der Mann, der die Murgesen wieder gross machte
Wer sich mit der Rasse der Murgesen beschäftigt, wird früher oder später über den Namen Mauro Aurigi stolpern. Erstmal ein ganz normaler italienischer Name. Doch dahinter steckt ein Mann, der durch sein Engagement einen großen Teil dazu beigetragen hat, dass die Murgesen auch heute noch existieren. Herr Aurigi sorgte dafür, dass die vielseitige Rasse, die ursprünglich als Streitross von edlem Blut gezüchtet und dann zum Fleisch- und Arbeitspferd degradiert wurde, heute in vielen unterschiedlichen Einsatzbereichen vertreten und populär ist. Nach seiner Theorie ist der Murgese der legitime Nachfolger der zuvor als ausgestorben bezeichneten Neapolitaner, der trotz seiner zwischenzeitlich bäuerlichen Zucht und der Verwendung als Fleischlieferant viele der Rittigkeitsmerkmale behalten hat, einschließlich seiner Eignung zur Falknerei.

Foto: "Danubio" (1970). Associazione Regionale dell'Asino di Martina Franca e del Cavallo delle Murgese - Martina Franca A.N.A.M.F. (Dbmurgese.it)

Foto: Allevamento cavalli murgesi di Giannini di Sopra di Amatulli Cosimo

Foto: Allevamento cavalli murgesi di Giannini di Sopra di Amatulli Cosimo
Ende des 20. Jahrhunderts fand der Murgese neben dem Einsatz in der Forstwirtschaft auch seinen Platz im Reittourismus und bei der berittenen Polizei, sodass man die Bemühungen des Herrn Aurigi für das Fortbestehen der Rasse als langfristig erfolgreich ansehen darf.
Das ist eigentlich auch schon alles, was es zu der Geschichte der Murgesen zu wissen gibt. Natürlich habe ich Dir in diesem groben Überblick einige Details und Wendungen erspart, damit es nicht zu trocken wird und gut lesbar ist. Falls Du Dich aber detaillierter mit der Rasse auseinandersetzen willst, lege ich Dir meinen Blog ans Herz. Dort findest Du unter anderem einen detaillierten Steckbrief zur Rasse und ihren Erkennungsmerkmalen, die Geschichte der Neapolitaner und bald auch Rasseporträts derer Rassen, die von den Murgesen & Neapolitanern geprägt wurden. Du willst mehr zu unserem Alltag? Dann schau bei uns auf Instagram vorbei!
Inhalt &Quellen:
Wer gerne mehr herausfinden möchte, kann sich hier ein paar Quellen anschauen und tiefer in die Materie eintauchen.
- Historische Fotos der Murgese:
- Historische Gemälde:
https://commons.wikimedia.org/wiki/Main_Page
- Aktuelle Fotos:
Freundlicherweise zur Verfügung gestellt durch Allevamento Cavalli Murgese di Giannini di Sopra di Amatulli Cosimo
"Der Lipizzaner im Spiegel der Wissenschaft" Gottfried Brem, Institut fuer Tierzucht und Genetik Veterinärmedizinische Universität Wien
"LA FABULEUSE AVENTURE DU CHEVAL NAPOLITAIN: Aux origines de l'art équestre" (2003) Maria Franchini, Guiseppe Maresca